EuGH-Urteil gegen Kommission und EU-Gericht: Deutsche Sanierungsklausel wurde falsch bewertet


Veröffentlicht: 28.06.2018

LUXEMBURG -- Schlappe für die EU-Kommission und das Gericht der Europäischen Union: Der Europäische Gerichtshof hat im Rechtsstreit über die sogenannte Sanierungsklausel im deutschen Körperschaftssteuerrecht geurteilt. Die Kommission, die die Klausel 2011 als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe eingestuft hatte, habe diese anhand eines fehlerhaft bestimmten Referenzsystems bewertet und auch das Gericht habe Fehler bei seiner Beurteilung gemacht, heißt es in dem am Donnerstag verkündeten Urteil. Die Entscheidung der Kommission wurde für nichtig erklärt und zwei Gerichtsurteile in der Sache für teilweise nichtig erklärt. 

Mit dem Urteil lebe die Sanierungsklausel noch nicht automatisch für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide wieder auf, erklärte Timo Eggensperger von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ebner Stolz. Vorgegeben sei nun aber der Verlusterhalt als Referenzrahmen. Auf dieser Basis müsse die EU-Kommission daher erneut prüfen, ob eine Beihilfe vorliege. Viele deutsche Unternehmen hätten ihre Bescheide seit 2011 offengehalten.

Die Klausel war im Zuge der Wirtschaftskrise im Juli 2009 mit Rückwirkung ab 2008 eingeführt worden. Wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen sollte damit ein Verlustvortrag ermöglicht werden, auch bei einem Wechsel des Eigentümers. Da im deutschen Unternehmenssteuerrecht normalerweise bei einer Änderung der Eigentümerstruktur keine Verlustverrechnung möglich sei, hatte die Kommission die Regelung als illegale Beihilfe bewertet mit dem Argument, angeschlagene Unternehmen und ihre Käufer würden dadurch selektiv finanziell begünstigt. Die Bundesregierung war aufgefordert worden, die Begünstigten zu nennen und gewährte Beihilfen zurückzufordern. Dagegen hatten die Bundesregierung sowie zwei der betroffenen Unternehmen geklagt. Die Klausel war seit dem Beschluss der Kommission nicht mehr angewendet worden.


Der EuGH urteilte nun, dass ein bei der Ermittlung des Referenzsystems festgestellter Rechtsfehler des Gerichts die Prüfung des selektiven Charakters der Sanierungsklausel verfälscht habe. Dieser Rechtsfehler habe dazu geführt, dass das Gericht das von der Kommission fehlerhaft bestimmte Referenzsystem, das allein aus der Regel des Verfalls von Verlusten bestehe, als zutreffend bestätigt habe. Diese Regel stelle aber unstreitig eine Ausnahme von der Regel des Verlustvortrags dar.


Die Selektivität der Sanierungsklausel könne nicht zutreffend anhand eines Referenzsystems beurteilt werden, das aus einigen Bestimmungen bestehe, die aus einem breiteren rechtlichen Rahmen künstlich herausgelöst worden seien, stellte der Gerichtshof fest. Durch den Ausschluss der allgemeinen Regel des Verlustvortrags von dem im vorliegenden Fall maßgebenden Referenzsystem habe das Gericht somit dieses System offensichtlich zu eng definiert. C-208/16P, C-209/16P u.a.


MBI/ang/28.6.2018


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